Technologien, die ursprünglich für den Weltraum entwickelt wurden, finden ihren Weg in den Alltag: In den ESA-Inkubationszentren, den sogenannten „Business Incubation Centres“(BIC), werden sie in praktische Produkte und Dienstleistungen umgewandelt. Jedes Jahr entstehen in den österreichischen Gründerzentren etwa 35 Start-ups aus weltraumbezogenen Innovationen. Die Koordination des Programms erfolgt im Science Park Graz, dem ältesten Start-up-Inkubator Österreichs. Weitere Standorte befinden sich in Niederösterreich und in Salzburg.
„Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, ursprünglich für den Weltraum entwickelte Technologien in praktische Alltagsanwendungen zu verwandeln“, erklärt Martin Mössler, Geschäftsführer der ESA-Inkubationszentren in Österreich. „Unsere Mission ist es, Weltraumtechnologien in die Lebensrealität der Menschen zu bringen und so innovative Lösungen für alltägliche Herausforderungen zu schaffen“, erklärt Martin Mössler, Geschäftsführer des ESA BIC Austria. „Durch die enge Zusammenarbeit mit den Start-ups in unseren Inkubationszentren, unterstützen wir die Entwicklung zukunftsweisender Produkte, die sowohl die Wirtschaft stärken, als auch das Leben der Menschen verbessern. Dieser Ansatz trägt nicht nur zur Wettbewerbsfähigkeit Europas bei, sondern hilft auch, globale Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und Energieversorgung nachhaltig anzugehen.“
Satellitendaten für Wasserkraftwerke
Eines der erfolgreichen am ESA BIC Austria entwickelten Start-ups ist WEME Earth: Das Start-up stellt Informationen bereit, die für die Planung und den Bau von Wasserkraftwerken insbesondere in Entwicklungsländern essenziell sind. Dazu gehören etwa Daten zur Straßenbeschaffenheit, zur umliegenden Geologie, zum Baufortschritt oder auch zur aktuellen Wetterlage. „Eines der größten Probleme bei Wasserkraftprojekten ist die Unsicherheit in der Planung und Umsetzung, die zu hohen Kosten und Verzögerungen führen kann. Wir bieten Tools und Analysen, die diese Unsicherheiten reduzieren und eine präzisere Kostenabschätzung ermöglichen“, erklärt Gründerin Sabine Pongruber.
Zum Einsatz kommen die auf der unternehmenseigenen Plattform zur Verfügung gestellten Informationen meist lang vor Beginn eines Projekts: „Unsere Auskünfte helfen insbesondere potenziellen Projektumsetzern in der Angebotsphase von Wasserkraftprojekten, um eine präzise Kostenabschätzung vorzunehmen und realistische Angebote abzugeben“, erklärt die Geschäftsführerin. Die 44-Jährige ist mit der Branche bestens vertraut: Die studierte Betriebswirtin gründete das Unternehmen 2019 nach unterschiedlichen Spitzenpositionen in der Energiebranche – unter anderem als Geschäftsführerin der Energie-Sparte von General Electric in Zentraleuropa.
Informationen durch 600 Satelliten
Um an die komplexen Informationen zu gelangen, erhält das Unternehmen Unterstützung von der Weltraumagentur ESA: Auf mehr als 600 verschiedene Satelliten greift WEME Earth zu, um aktuelle Bilder und Daten zu sammeln. Allerdings: Die Satellitenbilder alleine reichen in diesem Fall nicht aus. Denn gerade in der Interpretation der Daten würde das eigentliche Know-how liegen, erklärt Pongruber: „Neben der reinen Datenbereitstellung antizipieren wir auch operative Probleme und schlagen in unseren „Intelligence Reports“ Handlungsempfehlungen sowie Lösungen vor. Beispielsweise werden Wetterbedingungen in Betracht gezogen, um sicherzustellen, dass Transporte reibungslos verlaufen können“, erklärt Pongruber. Österreichische Maßstäbe dürfen dabei nicht angelegt werden: Ob ein Passübergang in Tibet schneefrei, ein Monsun in Pakistan zurzeit aktiv ist oder Flüsse in Malawi Hochwasser führen, sei für Bauvorhaben in dieser Dimension spielentscheidend, so die Geschäftsführerin.
Vor kurzem sei etwa eine 40 Tonnen schwere Anlage im Hafen von Senegal festgehalten worden, weil das zuständige Unternehmen nicht wusste, dass der Umschlagplatz nicht für derartige Dimensionen ausgelegt war. „Mit unserer Expertise wäre das nicht passiert“, erklärt Pongruber. „Wir hätten die Transportwege für Materialien und Ausrüstungen zu den Baustellen von Wasserkraftwerken detailliert überprüfen. So hätten wir frühzeitig erkannt, dass der Hafen nicht noch nicht geeignet ist, folglich alternative Routen vorgeschlagen oder die Anlieferung zu einem später Zeitpunkt geplant.“
Das Service der Salzburger – zurzeit zählt das Start-up fünf Köpfe – ist jedenfalls schon jetzt international gefragt: Aktuell würden etwa Projekte in Australien, Indien und Indonesien umgesetzt werden. „Wasserkraft spielt eine zentrale Rolle in der weltweiten Energieversorgung. Durch unsere Arbeit möchten wir sicherstellen, dass mehr Länder dieses Potenzial ausschöpfen können, indem wir den Zugang zu relevanten Informationen und Technologien erleichtern“, gibt Pongruber die Marschroute vor.
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